Risiko-Meditation zur Ermittlung der Risikotoleranz bei 100% Aktien

Kurze Risiko-Meditation: 100% Aktien

Warum es eine kurze Risiko-Meditation braucht

In meinen bisherigen Artikeln ging es ja immer viel um Erklärungen. Gerade beim Thema Risiko ist für mich aber eines deutlich. Viele unterschätzen, wie sich hohe Kursschwankungen anfühlen und wie sie auf diese emotionale Achterbahn wirklich reagieren. Heute versuche ich es daher mit dieser kurzen Risiko-Meditation.

Die kurze Risiko-Meditation soll Dir helfen, Dir über eine häufig gestellte Frage klar zu werden: 100% Aktien oder doch weitere Anlageklassen wie z.B. Anleihen beimischen?

100% Aktien findest Du super? Anleihen werfen nichts ab und kommen daher nicht in Frage. Das lese ich seit Jahren immer wieder in diversen Foren.

Interessanter Weise hört man das vor allem dann, wenn die Kurse über eine längere Zeit hinweg stark gestiegen sind. Während oder kurz nach einem Crash, verstummen diese Stimmen ganz plötzlich. Warum nur?

Während des Corona-Crash und kurz nach dem Ukraine-Krieg gab es nur wenige solcher Wortmeldungen. Die Forenbeiträge hatten auf einmal einen ganz anderen Charakter.

Wer ja sagt zu 100% Aktien und einer hohen Rendite, muss eben auch ja sagen zu 50% Verlust und mehr. Rendite kommt von Risiko. Die Rendite von Aktien gefällt jedem, aber die hohen Kursschwankungen mag kaum jemand.

50% möglicher Verlust sind erst einmal eine abstrakte Zahl. Tatsächlich ist sie sogar sehr abstrakt, denn es können auch deutlich mehr oder weniger sein. Mit Einzelaktien sind auch dauerhaft 100% Verlust gar nicht unwahrscheinlich.

Wieso? Das ist leider dem individuellen Risiko von einzelnen Aktien geschuldet. Bei einem breit gestreuten Investment in Indexfonds oder -ETFs sieht es anders aus.

Klar. Auch da ist es eine Frage der Zeit, wann sich nach einem Crash das nächste Allzeithoch einstellt, aber es wird sehr wahrscheinlich kommen. Bei Einzelaktien ist die Gefahr eines Totalverlustes hingegen stark erhöht.

Im Falle von Indexwerten bedeutet Risiko vor allem, dass es temporär zu hohen Verlusten kommen kann. Wird eine entsprechende Mindesthaltedauer von > 15 Jahren eingehalten, ist ein Verlust bei einem breiten Index wie dem MSCI ACWI IMI sehr unwahrscheinlich.

Das sagt zumindest der historische Rückblick. In der Zukunft kann alles natürlich immer ganz anders sein. Ein Totalausfall ist da in jedem Fall aber ziemlich unwahrscheinlich.

Aber auch die temporären Schwankungen, die ein gut diversifiziertes Investment mit sich bringen, ist für viele bereits zu viel.

Die kurze Risiko-Meditation hier soll Dir daher dabei helfen, Dir ein besseres Verständnis zu vermitteln, worauf Du Dich dabei einlässt.

Kurze Risiko-Meditation

Was ist Meditation?

Eine Sache sollten wir aber zu allererst bei der kurzen Risiko-Meditation. Was ist eine Meditation eigentlich?

Ist das nicht so eine esoterische Praxis aus Asien? Muss ich mich jetzt dazu im Schneidersitz auf den Boden setzen, Räucherstäbchen anmachen und Om sagen? Hat das nicht viel eher mit Religion als mit Geldanlage zu tun?

Zur Meditation gibt es sehr viele Vorstellungen und jeder versteht unter dem Begriff etwas anderes. Das macht es leider schwer. Keine Angst, denn das was jetzt kommt hat nicht viel mit Esoterik oder Religion zu tun.

Okay. Die einen werden nun aufatmen und die anderen sind enttäuscht. Seufz. Man kann es nicht allen recht machen. Unter Meditation versteht leider jeder etwas anderes.

Ich verwende den Begriff hier so, wie er in buddhistischen Schriften in Indien und Tibet gebraucht wird. Der Sanskrit-Begriff bhāvana bzw. seine tibetische Entsprechung bgom kann ganz einfach mit „etwas kultivieren“ übersetzt werden.

Der Risiko-Meditationsfrosch
Der Risiko-Meditationsfrosch – gefunden beim Friseur

Es geht also darum, etwas, was man gelernt und mehr oder weniger gut verstanden hat, im Geist weiter zu kultivieren. Anders ausgedrückt geht es darum, dass das Gelernte vom Kopf in den Bauch rutscht.

Das versuche ich hier nun auf das Thema Risiko bei der Geldanlage und der Frage 100% Aktien oder Anleihen anzuwenden.

Lies Dir den folgenden Text daher langsam und in Ruhe durch. Mache zwischendurch immer mal wieder eine kurze Pause und stell Dir das Gesagte bildlich so klar wie möglich vor. Du kannst dazu auch die Augen zu machen.

Es geht dabei nicht darum, das Gesagte zu verstehen. Das ist ganz einfach und sollte keine große Herausforderung darstellen.

Nein. Es geht vielmehr darum, dass Du Dich in die konkrete Situation versetzt und versuchst, sie im Geiste zu durchleben. Versuche zu spüren, wie sich das anfühlt.

Das ist leider das Problem mit der Risikotoleranz beim Investieren. Bevor man es selbst durchlebt hat, unterschätzt man oft, wie sehr es einen mitnimmt. Die kurze Risiko-Meditation soll Dir dabei helfen, ein besseres Verständnis dafür zu bekommen, was Dich erwartet.

Die kurze Risiko-Meditation beginnt

Lies dazu bitte den jeweiligen Abschnitt durch bis Du zu einem Einschnitt mit drei Asterisken kommst „* * *“. Halte dann kurz inne und denke über das Gesagte nach.

Versuch Dir die Situation so klar bzw. so realistisch wie möglich vorzustellen und Dich darin hineinzuversetzen.

Lass es einen Moment auf Dich einwirken, bevor Du mit dem nächsten Abschnitt weitermachst.

Wenn Dir das nicht passt, ist das auch kein Problem. Dann lies es Dir einfach durch und denke darüber nach. Das geht natürlich auch.

Der Anfang Deiner Reise als Anleger oder Anlegerin

Stell Dir einen Augenblick vor, Du stehst ganz am Anfang Deiner Karriere als Anleger oder Anlegerin.

Deine Eltern oder wer auch immer gab Dir einen kleinen Anschub und Du bist mit einem Einmalbetrag von 25.000€ gestartet.

Schau Dir Deinen Kontostand am Anfang an und versetze Dich in Deine Situation. Du bist voller Freude über diesen Schritt, nun Dein erstes Depot aufzubauen.

Kurze Risiko-Meditation: 100% Aktien 1

Du investierst alles auf einmal in den MSCI World und legst auch gleich einen Sparplan an, um weiter zu sparen. Sehr vorbildlich.

Du erinnerst Dich, wie Du Deiner Familie und Freunden voller Enthusiasmus davon berichtest. Nicht jeder ist von Deiner Idee überzeugt, aber Du bist entschlossen und gehst Deinen Weg.

* * *

Der lange Weg zum Vermögen

Und es ist kein einfacher Weg, Dein Vermögen aufzubauen. Du brauchst dafür Ausdauer.

30 Jahre lang investierst Du im Durchschnitt ca. 470€ im Monat in einen MSCI World-ETF.  Am Anfang, ist Dein Gehalt noch nicht so groß und die Sparraten entsprechend etwas niedriger.

Mit der Zeit werden sie aber größer und Du hast verzichtest dafür durchaus auch mal auf die eine oder andere schöne Sache wie eine Reise oder ein schickeres Auto.

Freunde und Partner belächeln das manchmal. Sie meinen, Aktien sind gefährlich und Du solltest Dir lieber etwas gönnen. Man lebt ja schließlich nur einmal.

Doch das ist okay für Dich, denn Du hast Dein Ziel stets vor Augen: Du möchtest eine Million zusammensparen.

Um dieses Ziel zu erreichen, hast Du Dein Geld in einen thesaurierenden ETF gesteckt und dieser hat nach Gebühren eine Rendite von 8,4% erwirtschaftet.

Diese Zahl ist keine Erfindung, sondern entspricht den Marktrenditen zwischen 1992 und 2021 laut Renditedreieck des MSCI World Index von Christian W. Röhl für Sparplan-Anlagen.

Und die Börse meint es gut mit Dir. Nach etwa 7 Jahren fällt die 100.000€-Marke. Was für ein Erfolg! Du denkst: „The Sky is the limit!“ Im Kopf überschlägst Du bereits, wie lange es bei dieser Entwicklung noch dauert, bis Du die Millionen zusammen hast.

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Mit diesem Ansporn sparst Du eifrig weiter. Nur 7 Jahre später ist es dann soweit. Du hast auch die Viertelmillion geknackt.

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Mittlerweile bist Du verheiratet und auch Dein Partner / Deine Partnerin findet es toll, dass Du Dein Geld anlegst.

Hin und wieder gibt es aber ein paar Diskussionen, denn er/sie würde das Geld lieber in eine gemeinsame Wohnung investieren.

Du setzt Dich in den Diskussionen durch und hältst Deinen Kurs bei. Auch während einer kleinen Episode, in der Du ein Jahr arbeitslos bist.

Du kannst in dieser Zeit zwar nicht viel zurücklegen, doch Du widerstehst der Versuchung, Deine Rücklagen anzufassen.

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So gelingt es Dir auch, weitere 8 Jahre später die halbe Million zu erreichen. Im Ganzen bist Du jetzt seit 22 Jahren investiert. Was für eine Leistung! Gratuliere!

Genieße diesen Erfolg für einen Moment.

* * *

Mit 100% Aktien ist der Weg zum Vermögen holprig

Auf dem Weg dorthin gab es aber immer mal wieder ein paar kleinere Korrekturen. Dein Portfolio mit 100% Aktien hat zwischenzeitlich auch mal 20% an Wert verloren, aber das hast Du bisher ganz gut verkraftet.

Doch was ist das jetzt? Ein neuartiges Virus breitet sich aus. Es kommt zu Lockdowns und Einschränkungen.

Dies geht auch an den Börsen nicht spurlos vorüber. Nach und nach brechen die Kurse um 25% ein.

Dein Portfolio sinkt rapide und hat jetzt „nur noch“ einen Wert von etwas über 380.000€.

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Insgesamt hat Dein Portfolio in kürzester Zeit also etwas über 125.000€ an Wert verloren. Eine stattliche Summe.

Keiner weiß, wie es weitergeht. Der berühmte Börsen-Guru Dieter Müller sagt, ein großer Crash droht, wie er noch nie dagewesen ist.

Eigentlich möchtest Du ja in 8 Jahren in Rente gehen. Ob das nun klappt? Deine Partnerin / Dein Partner ist zutiefst verunsichert und macht Dir Vorwürfe.

* * *

Durchhalten lohnt sich

Glück gehabt. Die Börsen haben sich doch schnell wieder beruhigt und es hat sich ausgezahlt, dass Du nichts getan hast.

Die Börsen sind nun in ruhigeren Fahrwassern unterwegs und die Gewinne sprudeln.

So gelingt es Dir, nach gerade einmal 8 weiteren Jahren die Million Euro-Marke zu knacken!

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Du hast 30 Jahre diszipliniert gespart um dieses Ziel zu erreichen und nun heißt es: herzlich willkommen im Club der Millionäre.

Halte nun einen Moment inne und stell Dir vor, wie sich das anfühlt. Spüre in Dich hinein. Fühlst Du, wie Du Dich freust.

Das ist wirklich ein großer Erfolg. Du hast lange darauf hingearbeitet. Nimm Dir etwas Zeit, um dieses Gefühl zu genießen, bevor Du weiterliest.

* * *

Und dann kommt es ganz dick

Wechsle nun die Ausrichtung. Stell Dir vor, Du liest eine Börsenzeitung. Sie ist voller Meldungen, die ein düsteres Bild zeichnen.

Mehrere Staatsbanken haben den Leitzins angehoben und zahlreiche Unternehmen mussten Konkurs anmelden.

Mehrere große Banken sind ebenfalls pleite und die Staaten weigern sich dieses Mal, die Banken zu retten. Es entsteht ein Flächenbrand.

Experten sprechen vom größten Crash aller Zeiten. Es wird zu einem Umbruch kommen und der Ausgang ist ungewiss.

Weltweit brechen die Börsenkurse ein. Am ersten Tag geht es etwa 10% nach unten. Dein Portfolio liegt nun wieder bei ca. 900.000€. Am zweiten Tag steigt es sogar wieder leicht auf 905.000, aber die Experten sprechen weiterhin von einer großen Bedrohung.

Du hast aber schon größere Schwankungen durchgestanden. So leicht lässt Du Dich nicht beeindrucken und die Experten lagen zuvor auch falsch.

Am dritten Tag sinkt Dein Portfoliostand dann jedoch drastisch. Er rauscht ab und liegt unter der Marke von 450.000€. So niedrig stand Dein Depot seit 10 Jahren nicht mehr.

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Stell Dir die Benutzeroberfläche Deines Brokers vor und visualisiere den Kontostand. Lass die Zahlen auf Dich wirken.

Mehr als eine halbe Million ist verschwunden. Das entspricht einem netten Einfamilienhaus oder fünf Teslas der Model S-Baureihe.

Würde das Geld auf einem Festgeldkonto liegen, hättest Du Dir damit über 13 Jahre lang hinweg 40.000€ pro Jahr auszahlen lassen können.

Du willst nun eigentlich nächstes Jahr in Rente gehen und rechnest fest mit dem Geld. Deine Kinder studieren noch und brauchen Deine Zuwendungen.

Dein Partner / Deine Partnerin und Du wollten eigentlich im Alter viel reisen und die Welt sehen.

Er/Sie liegt Dir nun in den Ohren und sagt: „Ich habe es Dir ja immer gesagt. Aktien sind gefährlich. Hätten wir unser Geld doch nur rechtzeitig aus den Aktien herausgeholt und uns lieber eine Wohnung gekauft. Jetzt ist alles weg. Verkaufe sofort alles, bevor der Rest auch noch weg ist. Du hast schon genug angerichtet mit Deiner Spekulation. Ich meine es ernst.“

Du bleibst hartnäckig, aber die Börsenkurse erholen sich einfach nicht. Auf die eine Krise folgt die Nächste.

Stell Dir Deinen Partner / Deine Partnerin genau vor, wie er/sie Dir Vorwürfe macht, während gleichzeitig im Fernsehen eine Reportage läuft, die die jetzige Situation mit der großen Rezession der 30er Jahre vergleicht.

Es wird vermutet, dass die Aktienmärkte sich auf absehbare Zeit nicht mehr erholen werden und dass ein Systemwandel wahrscheinlich wird.

Wie fühlst Du Dich? Sei ehrlich mit Dir selbst.

* * *

Finale – Wie steht es um Deine Risikotoleranz

Die kurze Risiko-Meditation ist nun zu Ende. Es ist aber wichtig, dass Du Dir nun ein paar Gedanken machst und das Erlebte reflektierst.

Denkst Du, dass Du in einer solchen Situation gelassen und entspannt bleiben würdest? Denkst Du weiterhin „Ja, 100% Aktien sind mein Ding!“? Ist Deine Risikotoleranz wirklich so hoch oder machst Du Dir damit etwas vor?

Fühlst Du Dich damit doch nicht ganz so wohl? Hast Du vielleicht doch ein paar Zweifel, ob Du in dieser Situation nicht in Panik geraten wärst und alles verkauft hättest?

Und ebenfalls wichtig – falls vorhanden – wie schätzt Du Deinen Partner / Deine Partnerin ein?

Das beschriebene Szenario ist jedenfalls kein Unrealistisches. Solche Entwicklungen sind jederzeit möglich und können selbstverständlich auch zum ungünstigsten Zeitpunkt eintreten: dann, wenn Du gerade in Rente gehen willst.

Darauf solltest Du in mehrerlei Hinsicht vorbereitet sein. Dafür musst Du einerseits emotional gerüstet sein. Andererseits muss Dein Portfolio so zusammengestellt sein, dass es in punkto Risiko zu Dir passt.

Auch wenn sie wenig Rendite abwerfen: Anleihen stabilisieren ein Portfolio und ab einem gewissen Alter macht eine substanzielle Beimischung Sinn. Ist Deine Risikotoleranz gering, halte ich sie sogar für essenziell.

100% Aktien können Sinn machen, wenn Du jung bist, aber Deine Risikotoleranz muss entsprechend hoch sein.

Ich weiß, Anleihen sind nicht sehr beliebt heutzutage. Sie sind quasi die Feinripp-Unterwäsche der Geldanlage. Dennoch haben sie ihre Berechtigung im Portfolio.

Wie Du Anleihen ganz geschickt in Dein Portfolio integrieren kannst, ohne in frühen Jahren auf hohe Aktienrenditen zu verzichten, geht es bald in einem weiteren Artikel.

Und etwas off-topic: ich bin mittlerweile ziemlich zufrieden mit der Trade Republic Card. Die Saveback-Funktion funktioniert ganz gut. Ja, 1% ist nicht viel, aber immerhin.

Hinterlasse mir doch gerne unten einen Kommentar. Neben Lob und freundlichen Worten sind kritische Anmerkungen ebenfalls willkommen. Sie helfen mir dabei, die Artikel zu verbessern.

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Kurze Risiko-Meditation: 100% Aktien 8

Kommentare

16 Antworten zu „Kurze Risiko-Meditation: 100% Aktien“

  1. Der Artikel hat mir sehr gut gefallen.
    Grüße
    Paul

    1. Vielen Dank! Das freut mich sehr. Ich war mir nicht sicher, wie er ankommen wird und habe sogar kurz überlegt, ihn nicht zu veröffentlichen.

      Grüße, Rolf

      1. Gut, dass du es dir anders überlegt hast. Sollte jede/r lesen und verinnerlichen.
        Grüße Paul

  2. Bange machen gilt nicht, Rolf 😂

    Keiner sagt, dass man mit 100% Aktien-ETFs in die Entsparphase starten sollte. 2-3 J davor und 3-4 J danach, sollte man schon 20-30% Cash (oder mind. 3-4 Jahresverbraeuche) mind. voruebergehend halten.

    Fragen/Kommentare:
    zu „Du willst nun eigentlich nächstes Jahr in Rente gehen und rechnest fest mit dem Geld.“

    d.h. Rente mit 63, oder? (bei frueher koennte es sonst heissen: „einen auf Privatier machen“ oder „aufhoeren zu arbeiten“)

    d.h. kein Cash-Tent/Cash-Puffer (finanzen-erklaert.de/progressives-entnehmen-entnahmestrategie/) oder Risiko-Puffer fuer einen Glide-Path (earlyretirementnow.com/2021/03/02/pre-retirement-glidepaths-swr-series-part-43/) zum Entsparstart gebildet? Das waere ein riskanter, strategischer Fehler!

    zu „Deine Kinder studieren noch und brauchen Deine Zuwendungen.“

    spaet Kinder gekriegt? Oder studieren die mit 28 J immer noch? 😉 Die Bratzen sollen mal nebenher jobben, wie wir frueher auch …

    zu „Du bleibst hartnäckig, aber die Börsenkurse erholen sich einfach nicht. Auf die eine Krise folgt die Nächste.

    Na komm, das hoert sich nach Apokalypse an, oder? Welchen historischen Zeitraum kannst du dafuer anfuehren?
    Klar, nach einem Atomkrieg oder so … aber dann ist das Depot auch ziemlich egal 🤷‍♂️

    LG Joerg

    1. Hallo Jörg und Danke für Deinen Kommentar. Ich gehe da mal nach und nach durch.

      << Bange machen gilt nicht, Rolf 😂>>

      Nein, Bange machen war nicht mein Ziel. Es ging eher darum, ein Gefühl dafür zu entwickeln, was passieren kann. Wobei, wenn Dir der Artikel tatsächlich Angst machst, solltest Du vielleicht überlegen, wie es mit deiner Asset-Allokation aussieht. 😉

      << Keiner sagt, dass man mit 100% Aktien-ETFs in die Entsparphase starten sollte. 2-3 J davor und 3-4 J danach, sollte man schon 20-30% Cash (oder mind. 3-4 Jahresverbraeuche) mind. voruebergehend halten.>>

      Eben. Mit 100% Aktienanteil im Portfolio sollte man in der Regel nicht in die Entsparphase gehen.

      <>

      Oh, ich habe es vielleicht nicht klar genug gemacht. Es geht hier um eine Meditation, bei der man sein Ganzes Leben geistig durchspielt. An diesem Zeitpunkt des Textes hast Du bereits 30 Jahre investiert. Du bist also vermutlich schon älter und kurz vor der Rente, wie alt das auch immer dann ist. Das Renteneintrittsalter kann sich ja leider auch noch ändern.

      << d.h. kein Cash-Tent/Cash-Puffer (finanzen-erklaert.de/progressives-entnehmen-entnahmestrategie/) oder Risiko-Puffer fuer einen Glide-Path (earlyretirementnow.com/2021/03/02/pre-retirement-glidepaths-swr-series-part-43/) zum Entsparstart gebildet? Das waere ein riskanter, strategischer Fehler!>>

      Ganz genau. Das wäre ein Fehler, auch meiner Meinung nach. Ich habe da eine andere Strategie im Kopf, aber mehr dazu in einem zukünftigen Artikel. Mir geht es hier um den Typ Anleger, der einem bis 2020 in Foren recht häufig begegnet ist und der der Meinung war, etwas anderes als Aktien braucht es nicht, zumindest keine Anleihen. Wobei ich da wenig Unterschiede sehe, ob jemand nun einen Puffer in Form von Anleihen oder Cash hat.

      << zu “Deine Kinder studieren noch und brauchen Deine Zuwendungen.” spaet Kinder gekriegt? Oder studieren die mit 28 J immer noch? 😉 Die Bratzen sollen mal nebenher jobben, wie wir frueher auch…>>

      Wie oben schon gesagt. Es geht hier um eine Meditation, die sich über ein Anlegerleben erstreckt. Wir reden hier von > 30 Jahre Investment. Da sind bei vielen die Kinder schon erwachsen. Aber ja, wir haben unseren Sohn spät bekommen und das ist doch heute fast normal. Davon einmal abgesehen, studieren viele tatsächlich sehr lange… Ich hatte bei Abschluss der Promotion auch die 4 vorne…

      <>

      Nö, das sind ja schon realistische Szenarien. Wir hatten zuletzt Corona und als das endlich vorbei schien kam der Ukraine-Krieg. Lass jetzt noch etwas kommen und wir haben ein ähnliches Szenario. Wenn dann die Apokalypsepropheten der Börse die Medien bestimmen, bekommen manche Anleger durchaus Angst.

      Aber noch Mal: mir ging es nicht darum, jemandem Angst machen zu wollen. Es ist, glaube ich, eh deutlich geworden, dass sich die Börsen trotz aller Krisen über den zeitraum von >30 Jahren nach oben entwickelt haben und es sehr wahrscheinlich auch in Zukunft weiter tun werden.

      Es geht aber eben nicht ohne Auf-und-Ab und darauf muss man eben vorbereitet sein und eine Idee haben, was einen erwarten kann. Gerade den eigenen Partner bzw. die eigene Partnerin vergessen viele doch in der Gleichung…

      Viele Grüße
      Rolf

      1. „ Mir geht es hier um den Typ Anleger, der einem bis 2020 in Foren recht häufig begegnet ist und der der Meinung war, etwas anderes als Aktien braucht es nicht, zumindest keine Anleihen.“
        Bei diesen Typen Anleger würde ich noch einmal unterscheiden in den „Subtyp Vollidiot“, einer, der das tatsächlich für bare Münze hält und entsprechend handelt und den „Subtyp“ Maulheld. Letzterer hat vermutlich sein überaus überschaubares Vermögen auf dem Girokonto/Sparkonto liegen und träumt nur von 100% Aktien.

        1. Okay. Ich würde das vielleicht nicht so ausdrücken wollen, gebe Dir aber recht. Beide Typen begegnen einem in der Tat ‚gelegentlich‘ im Netz. 😉

  3. Moin,
    zunächst mal kenne ich keinen Menschen, der ausschließlich 100% Aktien in seiner Asset-Allokation hat. Da gibt es dann möglicherweise die eigene Immobilie oder Ansprüche an die GRV oder Pension. Wenn ich allein meine Ansprüche an die GRV auf 25 Jahre hochrechne bin ich locker bei 500.000€.
    Ich habe dann auch noch ‚Altlasten‘ wie eine uralte Kapitallebensversicherung und eine bAV.

    Aber ich stimme Dir grundsätzlich zu. 50% Verlust bei 100.000€ Depotwert und in einem Alter von 40 ist eine ganz andere Nummer wie 50% Verlust bei 1.000.000€ Depotwert im Alter von 63! Allein schon von der reinen Zahl her. Wenn ich dann natürlich vorhatte mit 63 den Lambo zu kaufen und/oder eine 1 jährige Weltreise zu machen, sollte ich diese Pläne wohl erstmal begraben.

    Andererseits. Wenn man im Alter von 63 in Rente geht und neben der Rente nur einen überschaubaren Betrag pro Monat benötigt (sagen wir mal 2000€), dann sprechen wir immer noch von 250 Monaten, die das Vermögen allein im geschrumpften Depot reichen würde.
    Wenn man dann noch einen Puffer von ’nur‘ 100.000€ auf dem Tagesgeld vorhält, so dass man für 50 Monate überhaupt gar nicht aus dem Depot entnehmen muss, dann sind wir schon bei 300 Monaten (=25 Jahre), die ich einfach so jeden Monat 2000€ entnehmen kann. Wenn das Geld dann alle ist, bin ich 88. Muss man auch erstmal schaffen.

    Ist natürlich Alles nur eine Milchmädchenrechnung, da ohne Inflation. Aber ich halte es auch für äußerst unwahrscheinlich, dass es über 25 Jahre keine Erholung am Aktienmarkt geben würde.

    BTW: Was wären denn Staatsanleihen Wert, wenn Staaten pleite gehen? Absolute Sicherheit gibt es nicht! Nur eins ist 100%ig sicher: Wir werden alle sterben.

    Gruß
    Dirk

    1. Hallo Dirk,
      du hast natürlich recht, dass der Rentenanspruch oder ggf. eine Immobilie durchaus eine weitere Dimension ist.

      Viele sehen ihr Portfolio aber losgelöst davon. Wenn ich in meiner Gesamtbetrachtung einen finanziellen Betrag x im Monat aus meinem Portfolio benötige (zusätzlich zu Rente, etc.), dann ist es schon relevant, wenn das Portfolio stark schwankt und das Rendite-Sequenz-Risiko eine Rolle spielt.

      Deine Beispielrechnung finde ich wichtig. Darum ging es mir im Artikel, ein Bewusstsein dafür zu schärfen, dass man auf die eine oder andere Weise einen Puffer bzw. eine Strategie benötigt. In guten Börsenphasen vergessen viele doch, dass es so nicht immer weitergeht, gerade wenn man noch keinen Crash erlebt hat. 2020 waren solche Diskussionen ja noch ganz anders.

      Zu den Staatsanleihen: natürlich. Wenn Staaten pleite gehen, dann hat man ein Problem. Wie oft ist es denn aber passiert, dass Staatsanleihen komplett wertlos wurden? Gerade wenn man auch hier breit streut, ist das Risiko übersichtlich.

      Mich hat es ja tatsächlich mit den russischen Staatsanleihen in meinem aktienähnlichen Emerging Markets USD Government Bonds ETF erwischt. Sie wurden ja komplett ausgebucht. So etwas kann passieren und deswegen gehören Emerging Markets ja auch zum Political Risk. Es gab einen Kurswertverlust von ca. 14%, der mittlerweile aber wieder ausgeglichen ist.

      Definitiv: wir werden alle sterben. Auch das vergessen viele.

      Viele Grüße
      Rolf

  4. Hi Rolf,

    zuerst mal ein interessanter und wichtiger Ansatz sich kritische Szenarien zu durchdenken. Zu den Schlussfolgerungen aber ein paar ergänzende Gedanken.

    100% Aktien hat niemand. Mindestens eine gewisse Cashreserve (Grundausgaben für die nächste 12-36 Monate je nach Belieben) ist meist da.

    Ein weiterer Punkt ist, die Alternativen genau auf die gleiche Weise durchzuspielen. Wer in den früheren 20er Jahren des letzten Jahrhunderts viele Staatsanleihen hatte (zumindest in D) dem dürfte die Inflation einen Großteil des Vermögens zerstört haben! Der Nominalwert der Anleihe wächst nämlich nicht mit der Inflation. Und in deinem finalem Szenario dürften Inflation, Währungsausfälle usw. ziemlich groß sein. Ob also dann Anleihen die richtige Alternative zu Aktien sind wage ich mal zu hinterfragen. Für diese ganz krassen Fälle ist dann eher Gold oder seine Immobilie entscheidend. Die haben mit Aktien gemein, dass sie über kurz oder lang inflationäre Probleme wieder ausgleichen.

    Dennoch finde ich deine Anregung gut solche Situationen einmal genau zu durchdenken. Vielleicht nicht um viele Anleihen ins Portfolio zu integrieren, aber um sich ein Mindset für den Ernstfall aufzubauen (ähnlich wie es Feuerwehrleute mit permanenten Training selbst kleiner Abläufe tun, um im Ernstfall nicht überlegen zu müssen).

    Gruß,
    Karl

    1. Hallo Karl,

      vielen Dank für Deinen Kommentar. Ja, ganz genau. Darum ging es mir. Andere anzuregen sich Szenarien einmal durchzudenken und zu versuchen, sie zu durchleben. Es war jetzt also nicht so sehr ein theoretischer Text, bei dem es mir auf die Details ankommt und die richtige Strategie, sondern eher darum, ein Gefühl für die Sache zu entwickeln.

      Was die 100% Aktien angeht: finde ich super, dass Du es so siehst und ich teile ja auch die Auffassung, dass man in der Entsparphase einen Puffer braucht. Ob das aber wirklich alle so beherzigen bzw. sich am Anfang bewusst sind, ist eine andere Frage. Es gibt ja immer noch genug Leute die meinen, Bitcoins sei alles, was man braucht. 😉

      Zu Staatsanleihen und Gold: es geht ja für mich nicht um einzelne Staatsanleihen, sondern auch hier gilt für mich: weltweit breit gestreut, nie bereut. Ob Investments in Gold wirklich helfen, die Inflation auszugleichen, da habe ich meine Zweifel. Die letzten 15 Jahre wohl schon, aber davor? Eine kleine Beimischung ist aber für mich auch okay.

      Letztlich ist es auch eine Typfrage. Für mich sind 100% Aktien bzw. aktienähnliche Investments für die meiste Zeit meines Anlegerlebens okay. Ich kann nicht sagen, dass mich hohe Schwankungen völlig kalt lassen, aber sie bringen mich nicht dazu zu handeln bzw. zu verkaufen. Für die Entsparphase habe ich mir auch eine Strategie überlegt, aber dazu bald in einem anderen Artikel.

      Gruß, Rolf

  5. Ja, „Level-1-Allokation“ ist wichtig, m.E. auch wichtiger und schwerer als „Level-2“ und Produktauswahl. Trotzdem befassen sich die meisten Medien in epischer Breite damit, welcher auf MSCI oder FTSE World Index aufgelegte ETF das bessere Produkt ist, oder ob man nicht in einen Duftkerzen-ETF als Beimischung investieren sollte. Gibt halt mehr Klicks.

    Weitere wichtige Punkte, z.B. welches Vermögen außerhalb des Portfolios man ebenfalls zum Sicherungsbaustein mitzählen sollte, und welche Rolle die Restlaufzeit bis zum Entnahmebeginn spielen muss, haben andere bereits treffend kommentiert.

    1. Danke Karsten! Ja, mir ging es hier jetzt auch tatsächlich nur um diesen Punkt. Es sollte ja kein klassischer Artikel werden, sondern eher eine Konteplation, um ganz generell ein Gefühl für Volatitilität / Risiko zu bekommen.
      Gruß, Rolf

  6. Das ist genau der richtige Ansatz; letztlich kommt es darauf an und auf nichts anderes: passende Allokation zwischen risikoreich und risikoarm, um Jahrzehnte durchzuhalten – und rund fünf Jahre vor der Entnahme langsam umzuschichten.

  7. Guten Tag Rolf,
    vielen Dank für diesen guten Gedankenanstoß. In der Tat ist das Risiko die alles entscheidende Größe im Prozess des Depotaufbaus/Investierens und wird regelmäßig unterschätzt oder gar völlig verdrängt.
    Deshalb ist es ein sehr guter Ansatz mit absoluten Verlustsummen zu arbeiten oder noch besser: die Verluste zu „materialisieren“, d.h. Sie in „Teslas S Modelle“ zu verwandeln und auf diese Weise den „Verlustschmerz“ fühlbarer zu machen!
    Und: Niemand erzähle mir, dass ihn so etwas unbeeindruckt ließe!

    Dein Gedankenexperiment hilft dabei sich „ehrlich zu machen“, um nicht an solchen Situationen zu zerbrechen. Und noch ein weiterer Aspekt scheint mir ganz wichtig: Fast jeder lebt in einer Beziehung und/oder hat Verantwortung für Familie/Kinder/Enkel.
    Wenn man nicht möchte, dass einem das alles in einer Krisensituation um die Ohren fliegt, sollte man sich hinsichtlich seiner Risikobereitschaft noch einmal hinterfragen und ggf. nachsteuern.
    Demut ist in der heutigen Zeit eine selten verwendete Vokabel, aber hier scheint sie mir angebracht.

    LG Gerhard

    1. Lieber Gerhard, vielen Dank für Deinen Kommentar, den ich so eins zu eins unterschreibe.
      Viele Grüße,
      Rolf

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